Ida wuchs in einem kleinen Dorf auf, umgeben von der Weite des Moors – einem Lebensraum, der ihr eine unermessliche Freiheit bot. Der technische Fortschritt des 20. Jahrhunderts drang hier nur zögerlich vor: Ein Stangenofen diente als Koch- und Heizstelle, die Toilette auf dem Hof verwaltete Abwässer in einem Dreikammersystem, und der Handel mit Torf als Heizmaterial prägte den Alltag. Nach dem Tod ihres Vaters lernte ihre Mutter, Sophia Jansen, den Hausierer Hermann Rolfes kennen, der sich der kleinen Familie annahm und bald zu ihrem Stiefvater wurde. „Er hat uns gerettet“, berichtet Ida mit fester Stimme. „Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich heute nicht das Leben, das ich hatte.“ Mit seinem Torfhandel ermöglichte er den Kindern eine sorgenfreie Zukunft und führte sie in den Kreis des heimatverbundenen Dichters Bernhard Ficken ein, der mit seinem Torfwerk am Küstenkanal ebenfalls eine prägende Rolle spielte. „Ich kannte ihn, seit ich auf der Welt bin“, erinnert sich Ida. „Er war immer ganz lieb und freundlich. Papa kam auch gut mit ihm klar.“ Heute besitzt sie noch Fickens Roman Spuren des Lebens, den ihr der Stiefvater hinterließ. Die langen Fahrten zum Torfwerk waren oft beschwerlich. „Früher, wenn man mit dem Pferdefuhrwerk oder dem Traktor hingefahren ist – das war nicht so einfach wie heute“, lacht Ida. Ihr Vater unternahm diese Reisen regelmäßig, um Torf zu holen.
Ida berichtet weiter: „Wir hatten eine alte Schweinestallküche, die wir ausgebaut haben. Dort stand unser großer Wasserkran, und warmes Wasser gab es erst, als wir diesen riesigen Boiler bekommen haben.“ Die Küche war das Herz des Familienlebens, hier wurde gegessen, erzählt, geplant und gelebt. „Unser Hund hat sich im Winter immer auf die Herdstange gestellt, um sich zu wärmen – er wusste genau, wie nah er dran durfte, ohne sich zu verbrennen.“ Auch das Wohnzimmer, die gute Stube, spielte eine zentrale Rolle: „Zu Weihnachten saßen wir alle zusammen. Und durch eine Tür konnte man direkt auf die Diele gehen und Torf holen. Es war so gemütlich und immer eine besondere Zeit.“
Ida beschreibt ihre Kindheit als eine Zeit des Mangels, aber auch als eine unbeschwerte Phase: „Hier hatte man immer nur das Nötigste“, sagt sie. Dennoch empfand sie vieles als kleinen Luxus – die Kinder abends warm und satt ins Bett legen zu können, war für ihre Familie keine Selbstverständlichkeit. „Meine Mutter war ein Kind der Kriegszeit, sie hat mir so viel erzählt, aber ich kann das alles gar nicht realisieren, was sie durchgemacht haben.“ Besonders beeindruckend waren die Erzählungen ihrer Großeltern, die während des Zweiten Weltkriegs Flüchtlinge versteckten. In Börgermoor waren viele Flüchtlinge aus dem Osten untergekommen, überwiegend evangelisch, und sie zu verstecken bedeutete für die Bevölkerung ein großes Risiko. Ida Freunds Großeltern bewiesen Mut und den Erfindergeist derjenigen, die mit wenig auskommen mussten: „Sie haben eine Doppelwand gebaut und die Flüchtlinge dahinter untergebracht. Als die Soldaten kamen, versteckten sie sie sogar im Kammersystem unter dem Plumpsklo. Die standen da wirklich in der größten – Entschuldigung, man kann das nicht anders sagen – Scheiße. Aber gefunden hat sie keiner.“ Ida schmunzelt.
Ein besonderes Erlebnis in ihrer Jugend waren die jährlichen Besuche von Kindern aus Iserlohn, die den Sommer auf dem Land verbrachten. „Für die war das eine Sommerfrische“, berichtet sie mit einem Lächeln. „Sie wohnten im 11. Stock, und bei uns hatten sie alles: frische Luft, viel Platz zum Spielen.“ Es entspannten sich Freundschaften und sogar erste Lieben zwischen den Stadt- und den Dorfkindern. Diese Besuche vertieften ihr Verständnis für Gemeinschaft und Zusammenhalt und ließen sie erkennen, wie wertvoll es ist, mitten in der Natur groß zu werden.
Die Trockenlegung des Moores, die die Flächen urbar machen sollte, beobachtete sie als Kind mit Argusaugen. „Vor der Johannesburg ist ein großes Spülfeld entstanden. Darauf haben wir Kinder Patronen gesammelt“, erzählt sie. Als der Kanal ausgegraben wurde, musste Börgermoor für einige Zeit evakuiert werden. Diverses Kriegsgerät, Fliegerbomben und anderes wurden gefunden und mussten erst entschärft und sichergestellt werden. „Sie haben die Bomben an der Seite unseres Grundstücks aufgestellt. Es war eine seltsame Situation, als wenn die Vergangenheit sich noch einmal bedrohlich über uns erhoben hätte. Die stationierten Soldaten hatten nach dem Kriegsende ja alles einfach in die Kanäle geworfen. Es ist erstaunlich, dass da nichts passiert ist“, erinnert sich Ida.
Das raue Leben im Börgermoor war von harter Arbeit und gemeinschaftlichem Zusammenhalt gekennzeichnet. Ida erinnert sich an die „Muckselmaschine“, die den Torf mahlte, und an die unzähligen Stunden, die sie zusammen mit ihrer Familie auf dem Hof arbeitete. „Wir hatten wenige Maschinen, die es uns leichter machten – jede Hand wurde gebraucht, auch die von uns Kindern“, erklärt sie nachdenklich. Doch es gab auch schöne Momente: „Mein Stiefvater brachte uns oft Dinge mit, wenn er auf Reisen war – eine Schaukel, ein Karussell – er wollte uns eine schöne Kindheit ermöglichen.“
Ein ebenso wichtiger Aspekt war der respektvolle Umgang mit Tieren. „Das war nicht immer selbstverständlich, aber bei uns schon“, betont Ida. In ihrer Kindheit spielten Tiere eine große Rolle: „Mein Bruder und ich hatten ein winziges Pony, das wir sogar mit ins Haus nehmen konnten.“ Besonders in Erinnerung blieb ein Rehkitz: „Mein Vater fand es neben seiner toten Mutter an der Landstraße und nahm es mit nach Hause. Wir päppelten es auf und übergaben es später einem Jäger.“
Nach ihrer Ausbildung im Gemüse- und Zierpflanzenbau in Johannesburg ging Ida nach Sögel und begann, in einem Schlachthof zu arbeiten – eine völlig neue, emotionale Herausforderung. „Der Wechsel vom kleinen Betrieb zum mechanisierten Schlachthof war riesig“, erklärt sie. „Es war nicht nur ein Job, sondern auch eine enorme emotionale Belastung.“ Nach einigen Jahren entschied sie sich für einen Berufswechsel und fand eine Anstellung bei Schlecker sowie später bei Woolworth. Ihr Lebensmotto lautete stets, sich durchzukämpfen, um für sich und ihren Sohn eine bessere Zukunft zu schaffen.
„Manchmal denke ich noch an die Orte meiner Kindheit“, sagt sie. „Ich sehe das alte Haus, den Garten, den Kanal vor meinem inneren Auge – es fühlt sich an, als wäre ein Teil von mir immer noch dort.“ Abschließend zitiert sie ein Gedicht von Bernhard Ficken: „Bescheidenheit, die Frieden schenkt, übt sie von Kindheit an, und Gott der Herr, der alles lenkt, schritt still in ihrer Bahn.“ Nachdenklich fügt sie hinzu: „Ich glaube, die Welt wäre eine bessere, wenn Menschen wieder lernen würden, zufrieden zu sein und kleine Dinge zu schätzen.“
Emslandliebe – Gestern. Heute. Morgen.
Das Themenjahr 2025 rund um das Jubiläum „75 Jahre Emslandplan“ ist eine Serie aus Erzählungen in Kooperation mit der Emsländischen Landschaft, der Emsland Tourismus GmbH und des Emsland-Kuriers.