Verborgene Schönheit und ein Paradies für Vögel

Dass hier ein Stück Natur, dass ein Stück seiner Heimat zu verschwinden drohte, ließ ihn nicht unberührt. Deswegen gehörte Andreas Schüring 1977 zu den Gründungsmitgliedern der „Naturkundlichen Arbeitsgemeinschaft Hümmling e.V.“, die sich später als Ortsgruppe Werlte/Sögel dem Naturschutzbund NABU anschloss. „Wir waren eine Gruppe von Jugendlichen, die glaubten, sie könnten die Welt verändern.“ Und wie sich herausstellen sollte, traf das sogar zu – jedenfalls für ein rund 300 Hektar großes Stück der Welt, für das Naturschutzgebiet Theikenmeer.

Die Jugendgruppe warb für dessen Renaturierung und bekam dabei höchst wirkungsvolle Unterstützung – unter anderem durch Prof. Bernhard Grzimek, den wohl einflussreichsten Tierschützer seiner Zeit. Sein Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ hatte 1960 den Oskar gewonnen, in seiner beliebten wöchentlichen Fernsehsendung „Ein Herz für Tiere“ warb er für den Tierschutz, nannte jeweils Kontakt und Konto-Nummer für die Unterstützung seiner Sache. „An diese Adresse haben wir geschrieben. Wir bekamen nicht nur Antwort, sondern schließlich auch eine Menge Geld von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Damit kauften wir Flächen am Theikenmeer.“ Auch die Bezirksregierung Weser-Ems zog mit und so entstand mit Landesmitteln und mit Baggern Ende der 1970er Jahre der fast verschwundene Heidesee neu.

In den 1980er und 1990er Jahren wuchs das Naturschutzgebiet auf seine heutige Größe, als es um das Hochmoor-Areal „Wehmer Dose“ erweitert wurde. Weitere finanzielle Unterstützungen vor allem durch „Bingo - Die Umweltlotterie“ und durch die Volkswagen Leasing GmbH Braunschweig ermöglichten den 350 Mitgliedern der örtlichen NABU-Gruppe weitere Renaturierungs-Maßnahmen. Sie legen seit 2010 in der Wehmer Dose Verwallungen an, so dass sich großflächig Wasser sammelt. In diesen wiedervernässten Bereichen, die schon jetzt fast 65 Hektar groß sind, entsteht ein lebendes Hochmoor mit ganzjährig hohem Wasserspiegel. „Die Wasserflächen können wir sich selbst überlassen“, erklärt dazu Hermann Brinker. Er ist seit 1984 aktiv bei der NABU-Ortsgruppe Werlte/Sögel und seit 18 Jahren deren Vorsitzender. „Auf den Wällen allerdings müssen wir regelmäßig die Birken entfernen. Die wachsen pro Jahr um gut zwei Meter und entziehen dem renaturierten Moor sehr viel Wasser. Eine übermäßige Austrocknung und Überwucherung wollen wir so verhindern.“ Die Maßnahmen zeigen erste Erfolge: Das Moor wächst wieder und seltene Vögel wie die Rohrweihe sind zurückgekehrt. Dafür hat Andreas Schüring Foto-Beweise, denn irgendwann tauschte er das Fernglas von einst gegen eine Kamera.

Einige der schönsten Aufnahmen des passionierten Naturfotografen soll eine neue Ausstellung zeigen, die in der Backstein-Scheune des alten Hofs Meyerrenken am Rand des Schutzgebiets eröffnen soll. Die Ausstellung ist Teil eines neuen Gesamtkonzepts im Naturschutzgebiet Theikenmeer, für dessen Umsetzung bereits Fördermittel beantragt sind. Rund um das Schutzgebiet soll es zwei unterschiedlich lange Wanderwege geben, die sehr dicht an die Lebensräume des Hochmoores heranführen. „Wege hingegen, die es derzeit noch innerhalb der wiedervernässten Fläche gibt, sollen bald entwidmet werden und aus dem Landschaftsbild verschwinden. Das ist wichtig, weil sich das Theikenmeer zu einem sehr sensiblen Vogelschutzgebiet entwickelt hat. Hier brüten inzwischen sogar Kraniche“, so Hermann Brinker. Zudem ist der See zu einem wichtigen Rastplatz für Zugvögel geworden.

Der Naturschutzverband Niedersachsen e.V. und die Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems e.V. betonen in ihrem Merkblatt aus 2011 die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz. Denn Torfmoose wandeln – wie alle Pflanzen – CO2 in Sauerstoff und Kohlenstoff um. Anders als andere Pflanzen jedoch binden diese Moose das Kohlendioxid in Mooren dauerhaft: Alle Moore weltweit speichern insgesamt rund ein Drittel des gesamten im Boden enthaltenen Kohlenstoffs. Würde dieser plötzlich freigesetzt, stiege die CO2-Menge in der Atmosphäre um 75%.

Nach einer Entwässerung geben Moore Kohlenstoff als CO2 schleichend ab. Da in Deutschland fast alle früheren Moore, die einst 4,2% der Landesfläche bedeckten, kultiviert sind, entweichen aus diesen Flächen jährlich etwa 12 Mio. Tonnen CO2.

Nach einem bodenkundlichen Gutachten von 2009 liegen im Naturschutzgebiet Theikenmeer 2.750.000 m³ Torf. Das entspricht 435.000 Tonnen CO2. Dank der Wiedervernässung wächst das Moor jetzt wieder und speichert pro Jahr rund 2.300 t CO2.